Dieses Blog durchsuchen

Entweder Broder- Henryk M. Broder, Hamed Abdel-Samad

Dieses wunderbare Buch enthält ein Reihe von Realsatiren, die von dem Journalisten und Schriftsteller Henryk Broder und dem Wissenschaftler Hamed Abdel-Samad in kurzweilig zu lesenden, hintersinnigen Dialogen dem Leser entgegen gebracht werden.

Broder gehört bekanntermaßen dem jüdischen und Abdel-Samad dem muslimischen Glauben an. Beide besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit. Gemeinsam mit Broders Drahthaar-Foxterrier Wilma begeben sich die Herren auf eine Deutschland-Safari und zwar mit einem alten Volvo, den sie Kurt nennen und der einer bunt bemalten Affenschaukel gleicht.

Auf ihrer Reise fühlen sie mit subtiler Fragetechnik den unterschiedlichsten Leuten auf den Zahn und zeigen das gerüttelte Maß an Vorurteilen und fragwürdiger Ethiknabelschau von Selbstdarstellern auf, die ihnen überall im Land fast die Schamröte ins Gesicht treibt.

Das Buch ist übrigens mit vielen Fotos bestückt, die diese Safari visualisieren.

Wikipedia schreibt im Hinblick auf den Begriff "Safari" u.a. Folgendes: "Safari" ist der gängige Begriff der Swahili-Sprache für eine Reise jeglicher Art. Er fand seit der Kolonialzeit Eingang in die deutsche und englische Sprache der einstmaligen Kolonialherren und wurde dann vor allem zur Bezeichnung einer Jagdreise in Ostafrika verwandt, bei der gewöhnlich Großwild erlegt wurde." (Zitat: Wikipedia)

Tiere wurden auf der Reise nicht erlegt, aber Fotos geschossen und es wurde der ganz normale Wahnsinn, der in der Bevölkerung unseres Landes zu diagnostizieren ist, an netten kleinen Bespielen gut nachvollziehbar skizziert. In Berlin-Rudow erlebt man eine " Polit-Putze", - sie nennt sich selbst so -, die mittels Spraydosen rechtsradikale Symbole und Sprüche auf Hauswänden unleserlich, sich aber damit letztlich der Sachbeschädigung strafbar macht. Ihr Beispiel zeigt, dass es vollkommen sinnlos ist, sich an den Symptomen jedwelcher Art zu schaffen zu machen.

Eine Fete anlässlich des fünften Jahrestages der Eröffnung des "Berliner Holocaust-Mahnmals" lässt Broder nicht zu Unrecht unpässlich reagieren. Es gibt Anlässe, bei denen Feststimmung nicht angesagt ist. Broders Eltern waren in Auschwitz. Wenn er sehr ungehalten bekundet: "der letzte Holocoust ist mittlerweile das Aufmarschgebiet für Adabeis, Busybodies, Partypupser und Wichtigtuer aller Disziplinen", kann ich ihn verstehen und wenn er zynisch fragt: "Also gehen wir jetzt zu der Party oder gehen wir zu meinem Therapeuten", hat er genau den Nerv getroffen, der das Nachdenken anregt.

Beim türkischen Bäcker verwickelt Broder diesen in ein Gespräch, das deutlich macht, dass die jungen türkischen Männer einerseits für sich die westliche Art zu leben gut heißen, aber ihren Schwester dieses freiere Leben nicht gestatten wollen. Broder fasst im Hinblick auf den Bäcker zusammen "An ihm ist einfach nichts mehr muslimisch, er trinkt, er raucht, er hat Sex vor der Ehe, er fährt nicht nach Mekka, er betet nicht". Hamed resümiert: "Aber der Chip ist noch drin." Broder erwidert: "Der Chip ist drin und das Programm auch. Mir kommt es ein bisschen so vor, als hätte man einen neuen Apple- Laptop und der läuft mit einem Betriebssystem von Atari aus dem Jahre 1970."

Dieser Eindruck entsteht noch öfter auf der Reise, ob nun bei Eingeborenen oder bei Zugereisten in unserem Land. In Bayern fotografiert Broder ein Straßenschild auf dem vor einem Pfarrer mit zwei seiner Pfarrkinder gewissermaßen gewarnt wird. Völlig aberwitzig. Hier auch erleben die beiden das Aufstellen des Fruchtbarkeitssymbols "Maibaum" seitens junger, bayrischer Männer und auf dem Oktoberfest sammeln sie Eindrücke im Hinblick auf Toleranz durch ein entsprechend provokatives Outfit.

Hamed Abdel-Samad fragt sich am Ende der Safari, was Stasi-Leute, Neonazis, Friedensbewegte, Christiania-Bewohner und muslimische Fundis gemeinsam haben und liefert dazu eine Antwort, der ich beipflichte. Broder witzelt, dass jetzt ein Preis für Toleranz und respektvollen Umgang fällig sei, weil ein Jude und ein Moslem es 30 000 Kilometer gemeinsam in einem Auto ausgehalten haben

Was die beiden können, müssten andere doch auch schaffen. So schwierig dürfte dies doch letztlich nicht sein, oder? Mit ein wenig Toleranzbereitschaft ist alles möglich. Vor allem Frieden.

Empfehlenswert.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen